Am Busbahnhof

Wer sich bewegt, der hat verloren

Mein Plan war, mit dem Bus um 0700 von Ouaga nach Bobo zu reisen. Dort wollte ich den nächsten Bus nach Banfora erwischen, um anschliessend per Velo die restlichen 50km bis nach Sindou zu fahren. So begann also meine Tagesreise früh am Morgen in Ouagadougou.
 

Im Hotel hatte man mir gesagt, ich solle doch mindestens 1 Stunde vor Abfahrt am Busbahnhof sein. Obwohl ich ein Ticket hatte, musste ich doch noch mein Velo mit Anhänger verladen lassen. So stehe ich also um etwa Viertel von sechs am Busbahnhof. Neben mir sind noch ca. 20 Personen dort. Es ist jedoch nicht auszumachen, was für Funktionen diese innehatten. Mit grosser Wahrscheinlichkeit war der grösste Teil Angestellte des Busbetriebes oder sonst wie Personen, die sich im Umfeld des Bahnhofes mit Telefonkartenverkauf, Taxidiensten, etc. ernährten. Es standen auch schon diverse Gepäckstücke herum. Ich frage also den ersten mir offiziell erscheinenden nach dem „Chef de Bagage“. Dieser sei jedoch noch nicht da, er komme aber bald. Ok, also warten. Wenn ich mir so die Mofas ansehe, die da alle mit Bobo angeschrieben sind, wird mir Angst um meine Transportmöglichkeit. Wenn alles der Reihe nach geht, wäre ich wohl frühestens in einer Woche in Bobo!

Während so die Zeit vergeht, macht sich langsam mein Magen bemerkbar. Da ich gestern erst gegen 23 Uhr im Hotel war, kam ich nicht mehr zum Essen. Auch heute früh war natürlich noch niemand vor Ort. Ich schaue mich um und stelle fest, dass einige Leute sich vor dem Busbahnhof an einem kleinen Imbissstand verköstigen. Nur stellte sich mir die Frage, ob ich es mir erlauben konnte, mein Velo zu verlassen und einfach gemütlich ausserhalb, d.h. ausser Sichtweite des Busses, etwas zu essen. So entschied ich mich also, zu warten.

In der Zwischenzeit kamen immer mehr Leute und, weit bedrohlicher, immer mehr Gepäck, welches direkt vor dem Bus deponiert wurde. Mein Bagage wurde dadurch immer mehr zurück gedrängt. Eine erneute Rückfrage nach dem „Chef de Bagage“ ergab, dass er in einigen Minuten kommen würde, ich könne in Ruhe noch etwas essen gehen. In Anbetracht der Rückmeldungen meines Magens und der bevorstehenden Reise von vielleicht 12 Stunden entschloss ich mich dann doch, kurz etwas zu essen. Natürlich verschob ich mein Velo mit Anhänger zuvor wieder in die Poleposition ganz nah beim Bus.

Das Essen schmeckte gut, es war ein Baguette mit Hackfleisch, also so eine Art burkinabischer Hamburger. Der Kaffee dazu ist ein ganz besonderes Gebräu. Zuerst wird ein 15cm hohes Glas im ersten Drittel mit Kondensmilch gefüllt, Anschliessend wird ein Löffel Nescaffépulver hinzugefügt und dann mit kochendem Wasser aufgefüllt. Der Hamburger war riesig, und da ich zwar Hunger hatte, aber auch etwas unter Stress stand bezüglich der Verladung, überliess ich den zweiten Teil des Baguettes meinem erstaunten Sitznachbar. Er hatte mir auch gesagt, dass der Bus wohl erst um 0730 fahren würde.
 

Nach vielleicht 10 Minuten kehre ich zum Busbahnhof zurück. Ich musste mich also auf eine weitere Wartezeit auf den „Chef de Bagage“ einstellen. Aber weit gefehlt! Kaum komme ich in den Busbahnhof, trifft mich fast der Schlag! Mein Velo liegt noch immer vor dem Bus, aber in der Zwischenzeit wurden die Ladeluken geöffnet und bereits 3/4 des Platzes war gefüllt. Alles drückte und quetschte die Koffer, Säcke, Kisten und Motorräder hinein. In einer ersten Aktion versuchte ich, mein Velo aus dem Kampfbereich zu retten, dann versuchte ich, einen Lader zu überzeugen, dass er mein Velo mit Anhänger bitte verladen soll. Seine Antwort war kurz und bündig: kein Platz mehr! Als ich trotzdem auf den Verlad drängte, verwies er mich lächelnd an den „Chef de Bagage“, der aber noch nicht hier sei. Also frage ich brav, wo ich denn wohl diesen Chef finde. Nun führt er mich hinaus zu dem kleinen Imbissstand, wo ich gerade gefrühstückt habe. Der Zufall wollte es, dass mein Tischnachbar von vorhin die gesuchte Person ist! Schnell ist ihm das Problem erläutert und er gibt die Order, umgehend mein Velo zu verladen! So dauert es keine 5 Minuten, und all mein Gepäck ist eingeladen! Ob allerdings auch der Besitzer des wieder ausgeladenen Motorrades auch so eine Freude hatte wie ich, weiss ich nicht. Er hat es vermutlich erst kurz vor der Abfahrt gemerkt, und der „Chef de Bagage“ hatte wohl keinen Hunger mehr.

Januar 2012